Museale Zinngussformen vermutlich von Kinkeldey, Stettin ca. 1850 nach Figuren von Söhlke, Berlin

Mit Unterstützung des bekannten amerikanischen Sammlers und Autors diverser Bücher über Spielzeugfiguren  Don Pielin konnte ich vor einigen Jahren uralte Schieferformen zum Guss von flachen Zinnfiguren erwerben. Diese werden bislang der Zinnfigurenmanufaktur von Gerhard Söhlke zugeschrieben. Gerhard Söhlke gründet 1819 in Berlin eine Zinngießerei. Viele der in der Galerie hier gezeigten Formen sind als Figuren im Musterbuches von ca. 1859 der Spielzeugfabrik von Gerhard Söhlke aus Berlin abgebildet. Im Textbeitrag, des als Reprint des Musterbuches erschienen Band, schreiben Dr. Czeguhn und Dr. Schraudolph, dass zwischen 1873 und 1875 über 1000 Gusssteine an die Firma Ernst Heinrichsen verkauft wurden. Und weiterhin schreiben sie, dass  im übernommenen Formenbestand von Heinrichsen zumeist frühe Figuren aus den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts fehlen. Die mir vorliegenden Formen sind beidseitig graviert und nur teilweise im Musterbuch abgebildet.. Die Gravuren sind von besonderer Qualität und haben den Charme des Biedermeiers. Einige Figurendarstellungen sind sowohl in meinen Formen als auch in den alten Formen bei Fa. Heinrichsen enthalten.  

Die in der Fotogalerie abgebildeten Formen kommen aus den USA, sind aber zweifelsfrei in Deutschland um 1840 hergestellt worden. Der Verkäufer der Formen, Fern Breitner, hatte von 1979-1981 einen Geschenke-Laden  in North Carolina. In diesen Jahren  kaufte er die Formen von  Kaplan Rev. Peter Lambert, der ihm folgende Geschichte hierzu erzählte: „Amelia, die Schwester meiner Großmutter war bekannt mit Kaiserin Eugenie, der Frau von Napoleon III.  Sie war verheiratet mit dem dänischen Architekten Hansen. Dieser hat viele Boulevards in Paris geplant. Als er starb verließ Amelia Frankreich mit den Formen im Gepäck und wanderte in die USA aus.“ 

Diese Geschichte finde ich sehr abenteuerlich und konnte auch nach diversen Recherchen hieraus nichts nachvollziehen.  

Fern Breitner hatte 1987 einige Formen anlässlich eines Besuches im Cooper Union Museum N.Y. (Teil des Smithsonian) vorgestellt. Dort wurde erkannt, dass es sich um deutsche Zinnfiguren Giessformen aus der Zeit um 1850 handelt. Das Museum zeigte sich sehr interessiert, die Formen als Geschenk zu übernehmen. Das schien Fern Breitner allerdings wenig interessant, sodass sie wieder mit nach Hause nahm und für weitere Jahre bis zum Verkauf einmottete. 

Seit diese Webseite Anfang April 2020 online gegangen ist haben sich neue Aspekte aufgetan wie die Formen tatsächlich dorthin gekommen sein könnten. Doch der Reihe nach … Anfang April 2020 habe ich die Formen noch einmal näher auf eine Signatur hin untersucht. Tatsächlich habe ich eine nicht deutlich erkennbare Namensignatur auf einer der Formenseiten gefunden. Auf der anderen Formenhälfte war ein  Hinweis auf  „Stettin“ zu entziffern. Hierbei haben mich Frau Dr. Grobe (Zinnfiguren Heinrichsen) und Florian Wilke (Experte für museale Formen) dankenswerterweise unterstützt! Nun hat der bekannte Schweizer Sammler und Autor Alfred Sulzer einen Stettiner Zinngießer des 19. Jahrhunderts ins Spiel gebracht, von dem er Figuren besitzt. Kurzerhand hat er sich mit Herrn Bernhard Schwarz (Website: Zinnfiguren-Bleifiguren) in Verbindung gesetzt. Die Frage war, ob er etwas über einen Zinngießer aus Stettin sagen kann. Die Antwort von Herrn Schwarz hat Licht in’s Dunkel gebracht!!!  Der Name des Zinngießers ist Traugott Kinkeldey. Dieser ist mit seiner Frau Friederike am 15.8.1856 mit dem Schiff Elida nach Amerika ausgewandert.  

Mit dieser Erkenntnis wird deutlich, dass die Formen bereits 1856 in die USA gelangten. Somit lange vor dem Verkauf des Formenbestandes  1873-1875  von Söhlke an Heinrichsen. Vermutlich hat Kinkeldey in den USA noch Figuren produziert. Es ist naheliegend, dass dabei  auch Formen zur Produktion von Figuren für die amerikanische Geschichte graviert wurden.

Mit dem Kauf der Formen  konnten auch altbemalte Soldatenfiguren in der  Originalverpackung des 19. Jahrhunderts erworben werden.  Das Label und die Verpackung hat den typischen Stil der deutschen Figurenhersteller um 1860,  ist aber doch etwas amerikanisiert. Die Figuren stellen Militär des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges dar. 

 

==> Hier geht es zur Seite mit original Söhlke-Formen im Bestand der heutigen Fa. Heinrichsen

==> Hier geht es zur Seite mit einem Vergleich der USA-Formen mit original Söhlke-Formen im Bestand der heutigen Fa. Heinrichsen

Doch nun zu den Formen selbst:

Die rote Ziffern auf den Abbildungen nehmen Bezug auf die Nummern der Formenbilder.  

Themenbereiche:

  • Eisenbahn – Zivile Figuren der Biedermeierzeit – Hafen – Schiffe – Kunstreiter – Gartengesellschaft – Long Champs – Markt – Hühnerhof – Tiere – Dorfszenen – Pferde – Schäferei – Jagd – Soldaten des 18. u. 19. Jahrhunderts – Gefechte – Lager – Zelte – Bäume – Zubehör – Kuriositäten – Englische Krönungskutsche usw.

G.F.

Literaturhinweis: Gerhard Söhlke, Musterbuch für Spielzeug und Zinnfiguren, Berlin, um 1856 – Reprint erschienen im Hauschild Verlag ISBN 3-89757-234-6

Auf der Webseite von Bernhard Schwarz: www.zinnfiguren-bleifiguren.com  finden Sie nähere Hinweise zur Firmengeschichte von Gerhard Söhlke Berlin und vielen anderen Herstellern!

Aus dem vielfältigen Figurensortiment der ehemaligen Firma Söhlke können von der Zinnfigurenfabrik Heinrichsen noch heute Abgüsse bezogen werden.   

Galerie